Artikelnummer: VW200401
Wie ist es eigentlich um die Brutvogelerfassungen in deutschen EU-Vogelschutzgebieten bestellt? Welche mögliche Alternativen gibt es zur klassischen Revierausscheidung bei der Auswertung von Monitoringdaten? Und mit welcher avifaunistischen Überraschung konnte das Jahr 2022 unter vielen anderen aufwarten? Zu all diesen Fragen liefert die aktuelle Ausgabe der Vogelwelt interessante Hinweise und Denkanstöße. Die Europäischen Vogelschutzgebiete sind die Perlen des Vogelschutzes. Doch was wissen wir bislang über die Bestandsentwicklung der dort vorkommenden wertgebenden Vogelarten und wie gut sind wir derzeit in der Lage, die alle sechs Jahre fälligen Berichte an die EU mit guten Daten zu füllen? Der Dachverband Deutscher Avifaunisten hat versucht, diese Fragen durch Analyse der Daten aus dem Vogelschutzbericht und Umfragen bei den Vogelschutzwarten zu klären: Der Stand der Gesamtbestandsermittlungen und des Monitorings von wertgebenden Brutvogelarten in den Vogelschutzgebieten kann insgesamt nur als wenig befriedigend eingeschätzt werden. Analysen der Bestandstrends innerhalb und außerhalb von Vogelschutzgebieten gelingen nur für wenige Arten. Diese deuten aber zumindest weniger negative Entwicklungen in den Vogelschutzgebieten an. Der Beitrag endet erfreulicherweise nicht mit dieser durchwachsenen Bilanz, sondern unterbreitet Lösungsvorschläge zur Umsetzung eines Monitorings innerhalb und außerhalb von Schutzgebieten auf Basis der bestehenden bundesweiten Monitoringprogramme, was diese einerseits stärkt, als auch Aussagen zur Bestandsentwicklung in den Schutzgebieten zulässt. Die Leserinnen und Leser der Vogelwelt sind ausdrücklich aufgerufen, sich an den Programmen intensiv zu beteiligen. Um zu prüfen, ob zur Ableitung von Bestandstrends die recht zeitaufwändige Auswertung von Revieren notwendig erscheint oder ob ggf. auch andere Parameter herangezogen werden können, wurden Daten des Monitorings häufiger Brutvögel (MhB) aus Baden-Württemberg von einem internationalen Team von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen ausgewertet. Neben klassisch abgegrenzten Revieren wurden für Trendberechnungen z. B. die Anzahl von Individuen pro Kartiergang oder die maximale Anzahl von Individuen über alle Kartiergänge genutzt. Die Ergebnisse deuten an, dass bei vielen Arten durchaus Potenzial zur Verschlankung von Analyseverfahren und Entlastung ehrenamtlicher Kartierender bestehen könnte, denn bei vielen Arten resultierten aus den Auswertungen mit und ohne Revierausscheidung sehr ähnliche Trends. Dies gilt insbesondere für Arten, bei denen die Anzahl festgestellter Individuen stark mit der Anzahl abgegrenzter Reviere korreliert. Die Ergebnisse sind von großer Relevanz für im Aufbau oder in der Umgestaltung befindliche Monitoring-Programme, da Potenziale aufgezeigt werden, um Auswertungsprozesse zu vereinfachen und zu beschleunigen, ohne dabei an Qualität der zu treffenden Aussagen einzubüßen. Ein weiterer Beitrag widmet sich einem Ereignis, das erst wenige Monate zurückliegt: Im Sommer 2022 konnte nach 70 Jahren der Abwesenheit als sicherer Brutvogel die Gryllteiste Cepphus grylle erneut brütend in Deutschland nachgewiesen werden. Der Beitrag beschreibt detailliert die Anbahnung dieser Neubesiedelung über die letzten Jahre und reiht den diesjährigen Brutnachweis auf Fehmarn in die positive Bestandsentwicklung der Art in der gesamten Ostsee ein. Der nun erbrachte Brutnachweis war somit nicht unerwartet, aber dennoch nur durch die gezielte Nachsuche verschiedener Ornithologen zu erbringen.