Artikelnummer: VW14104
Unser 141. Band schließt mit Arbeiten über drei Brutvogelarten in Deutschland, die immer wieder im Fokus vogelkundlicher Studien standen: Trauerseeschwalbe, Wespenbussard und Grauammer. Alle drei Arten sind auf ihre Weise ambivalente Beispiele der Naturschutz-Bemühungen in Deutschland und darüber hinaus. Die Trauerseeschwalbe nimmt zwar seit etwa 20 Jahren nicht weiter im Bestand ab, jedoch sind die derzeitigen Brutvorkommen in hohem Maße von Artenschutzmaßnahmen abhängig. Die drei Trauerseeschwalben-Arbeiten dieses Heftes beleuchten hier ganz unterschiedliche Aspekte: Die Untersuchung von Jan van der Winden et al. versucht, anhand von Beringungs- und Farbberingungsstudien die Überlebensrate der Art in fünf verschiedenen Brutgebieten in den Niederlanden, in Deutschland und in der Ukraine abzuschätzen. Obwohl die Habitatbedingungen der untersuchten Kolonien sehr verschieden sind und von rein nisthilfe-abhängigen Kolonien im Westen bis hin zu vollkommen natürlichen Brutplätzen in Flussauen im Osten variieren, lassen sich aus den bisher vorliegenden Daten keine signifikanten Unterschiede in der Überlebensrate ableiten. Daraus kann aber noch nicht geschlossen werden, dass es diese Unterschiede nicht gibt, denn die vorhandenen Untersuchungen sind noch zu kurzfristig und basieren auf möglicherweise quantitativ zu schwachem Material. Dementsprechend schlussfolgern die Autoren, dass die Untersuchungen fortgesetzt und ausgedehnt werden sollten, um diese Frage zufriedenstellend beantworten zu können. Die zwei anderen Arbeiten befassen sich mit den Trauerseeschwalben-Vorkommen im Nordosten Brandenburgs, wo etwa ein Viertel des deutschen Bestandes brütet. Bellebaum vergleicht in seiner nahrungsökologischen Arbeit die Nahrungsversorgung von Jungvögeln der Trauerseeschwalben auf Altarmen im Nationalpark Unteres Odertal mit derjenigen auf dem Parsteinsee, einem mesotrophen Klarwassersee im nahegelegenen Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin. Die Unterschiede sind überraschend groß: Während im unteren Odertal vorwiegend Fische und Kaulquappen verfüttert werden und die Nahrungsversorgung wenigstens in einigen Untersuchungsjahren den Bruterfolg begrenzte, verfüttern die Trauerseeschwalben am Parsteinsee überwiegend Großlibellen mit einer insgesamt größeren Biomasse, haben eine höhere Fütterungsfrequenz und einen wesentlich größeren Bruterfolg. Dies bestätigt nach Auffassung des Autors die wichtige Rolle von Großinsekten in naturnahen Lebensräumen für die Kükenaufzucht der Art. Pestizideinsatz, Insektensterben und Trauerseschwalben-Bruterfolg haben also vielleicht mehr miteinander zu tun, als wir bisher vermutet haben. In einer weiteren Arbeit befassen sich Bellebaum et al. detaillierter mit dem Bestand und dem Bruterfolg der Trauerseeschwalbe im unteren Odertal und betrachten hier vor allem den Einfluss von Nistflößen und Wasserstand auf den Bruterfolg. Ohne Angebot von Nisthilfen brüteten weniger Paare und ihre Zahl war stärker vom Wasserstand abhängig. Insgesamt war der Bruterfolg auf Nisthilfen fast doppelt so hoch wie auf Teichrosen-Rhizomen, am größten jedoch auf überfluteten Wiesen. Trotz Nisthilfen reicht der Bruterfolg allerdings im Mittel wahrscheinlich nicht zum Bestandserhalt aus. Die Arbeit von Meyburg & Ziesemer über den Wespenbussard widmet sich insbesondere der Mortalität in verschiedenen Phasen des Jahreszyklus, das heißt besonders auch auf dem Zug und im Winterquartier. Es ist faszinierend, wie detailreich und differenziert Zugverhalten und Schicksal der Wespenbussarde mithilfe der Satellitentelemetrie ermittelt werden können. Erfolglose Meeresüberquerungen bei starken Gegenwinden und Abbruch einer Adriaüberquerung auf der Hälfte der Strecke wegen einsetzenden schlechten Wetters sind nur zwei willkürliche Beispiele. Zwanzig vollständige Herbst- und sieben Frühjahrszugrouten von zwölf verschiedenen adulten Wespenbussarden konnten dokumentiert werden. Davon kamen fünf während des Zuges - die meisten in der Sahara - und vier im Überwinterungsgebiet zu Tode. Nur einer der Vögel wurde offensichtlich erschossen. Es ergeben sich demzufolge keine klaren Hinweise, dass Bejagung auf dem Zug die Haupttodesursache für unsere Wespenbussarde sein könnte. Anders als bei Trauerseeschwalbe und Wespenbussard unterlag der Bestand der Grauammer in den letzten Jahrzehnten sehr starken Fluktuationen, die zudem in West- und Ostdeutschland zeitweise entgegengesetzt verliefen. In Ostdeutschland stiegen die Bestände besonders in den 1990er- und frühen 2000er-Jahren, begünstigt durch den hier besonders hohen Anteil an Stilllegungsflächen, stark an, während die Art in Westdeutschland bis etwa 2015 fast verschwand. Neißkenwirth et al. beschreiben in ihrer Arbeit die Entwicklung in der westfälischen Hellwegbörde, wo die Grauammer von 169 Revieren in 1994 auf Null in den Jahren 2014 und 2015 abnahm. Dann setzte jedoch eine unverhoffte Bestandserholung bis auf 33 Reviere im Jahr 2021 ein, wobei vor allem Selbstbegrünungsbrachen bevorzugt werden.